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Sorgen am Morgen

13.06.2004

Heute früh fahre ich mit dem Knatterschwein los, um wie jeden Sonntagmorgen frische Brötchen und den neuen SPIEGEL zu kaufen. Der Sonnenschein, die leeren Strassen und mein also erfreutes Gemüt verleiteten mich, etwas weiter als nötig zu fahren und die schlummernden Suburbs mit einem fröhlichen Lied aus der Abgaströte zu beglücken.

In der Kiefholzstrasse war der Spass jedoch vorbei, zur Freude aller unsanft geweckten: Erst machte es ein paarmal BLORP inmitten des gleichmässigen Knatterns und verstummte dann vollends, so dass nur mehr das Schroppeln des Getriebes und der Kette zu hören waren - und dieses ärmliche Fluppern eines Zylinders, in dem keine Detonationen mehr stattfinden.

Mein erster Verdacht bestätigte sich leider nicht, denn ein leerer Tank wäre das geringste Malheur gewesen. Der HERR machte jedoch, dass ich in meinem Tran (gerade aufgestanden!) nicht den kompletten Vergaser zerlegte, sondern zunächst die Kerze herausdrehte. Und siehe, das wars schon: Ein putziges kleines Bleikügelchen zwischen den Polen. Fort damit, Kerze wieder rein und PRRRÖÖÖM! weiter gehts.

An der Tanke in der Bulgarischen dann will ich frohgemut den SPIEGEL kaufen und stellte aber zu meinem Schrecken fest, dass der Motor verreckt, sobald ich auskupple. Zu meinem noch grösseren Schrecken stellte ich fest, dass ich den Anlasser auch gar nicht mehr durchtreten konnte, sprich da bewegte sich gar nix. Schalten konnte ich aber noch, so dass das unübersichtliche Wirrwar der Zahnräder im Getriebe hoffentlich nicht betroffen war. Ich habe den Bock dann erstemal in die Sonne geschoben, weil da schraubt es sich netter und man sieht auch mehr.

Im Getriebe war nichts auffälliges zu entdecken - alles drehte sich wie es sollte, wenn die Kupplung gezogen war - und wurde andernfalls durch die Kurbelwelle blockiert, die völlig festsass.

Au Backe. Ich schraubte den Zylinderkopf ab, während das Wort "Kolbenfresser" immer grössere Teile meines vor einer Stunde noch so frohen Gemüts verdüsterte. Der ganz oben stehende Kolben sah aber soweit gut aus: frische Ölreste markierten die Lage der Ansaugkanäle, gleichmässiges Schwarz bedeckte den Zylinderkopf von innen und ein korrektes Rehbraun die Metallteile der Kerze. Alles easy.

Wo liegt das Problem? Ich beschloss, es den harten Jungs auf ihren grossen 1800er Cruisern nachzutun und stellte mein ganzes Lebendgewicht auf den Anlasser, und da! FLUPFLUPFLUPFLUP! Und beim nächsten Mal gehts schon leichter, beim dritten Mal noch ein bisschen besser - so dass ich den Zylinderkopf wieder drauftue, Kerze rein und angetreten - hei löpt! hei löpt!

Ungewohnt knattert es aus dem nicht abgedeckten Motor, aber die Proberunde über die Tanke offenbart keine Probleme. Bloss dass er beim Hinstellen wieder ausging; liess sich aber wieder antreten.

Also bloss schnell die Zeitung gekauft und dann ab nach Hause, denn auf Laufen hatte ich nach einer Stunde Öldreck ohne Frühstück, ohne Kaffee und ohne Kippe nun wirklich keine Lust mehr. Pünktlich vor der Haustür ging es auch aus, aber bis dahin hat es mich treu getragen. Das gute Schwein.

Wenn da nicht doch am am Kolben irgendwas ist, wird es sich wieder mal um ein ausgelaufenes Lager handeln, vermutlich das der Kurbelwelle. Und was sollte es am Kolben schon sein, wenn er nach ein paarmal Hinher wieder deutlich leichter läuft als vorher? Am Ende ist bloss Dreck drin. Der Zylinder sah auch noch gut aus von innen, so dass ich nur halb besorgt bin.

Sobald eine christliche Uhrzeit erreicht ist, muss ich mal den Mechaniker anrufen. Fachmännischer Rat verkürzt sehr die Ursachensuche und dadurch die Zeit, die man widrigenfalls mit dem Zerlegen nicht betroffener Regionen zubrächte.

Man muss aber die Vorteile sehen:

(1) Wenn ich den üblichen Weg gefahren wäre, hätten die Havarien erst morgen zugeschlagen - und am Montagmorgen um halb sechs auf dem Weg zur Arbeit steh ich ja ganz besonders auf sowas.

(2) Ich bin trotz alledem nach Hause gekommen. Also musste ich weder laufen, noch ist es irgendwas ernstes.

(3) Gestern haben wir noch gestöhnt, als der gute Mechaniker seinen Besuch für heute ankündigte, denn einen Tag in der Woche hat man denn doch auch ganz gern mal seine Ruhe. Nun aber kann ich das Erscheinen des Wohltäters kaum mehr erwarten.