Die Entfernungspauschale (25km)
24.02.2004
Heute früh auf dem Weg zur Arbeit bin ich fast gestorben vor Kälte und musste ein schwieriges Problem lösen, als es hiess, vor dem Firmen-Hoftor den Hoftorschlüssel in der Tasche zu erspüren, ihn aus dieser heraus und ins Schlüsselloch zu applizieren. Das ist schwierig, wenn die Finger so taub sind, dass schon die Frage unklar bleibt: Ist es die Tasche, in der ich nach dem Schlüssel fische, oder fingere ich aussen an der Jacke herum?
Zum Ausgleich für diese Qual gab es davor aber noch einen wunderschön schwarzdunkelblauen Nachthimmel, der sich im Südosten hinter mir langsam aufhellte und nach gelb, orange und violett verschob (umgekehrte Reihenfolge), während er vor mir nur sehr graduell vom Schwarz sich wegbewegte. Jetzt um dreiviertel acht scheint die Sonne durchs Giebelfenster direkt auf meinen Monitor, was mich die ganze Zeit beim Frühstücken aber auch nicht weiter gestört hat. Wenn ich nachher irgendwann arbeiten will und die Sonne steht immer noch so tief (was unwahrscheinlich ist), muss ich eben wieder Reklameschilder vor die Fenster stellen, so wie im letzten Sommer auch schon.
Der klare Himmel über Nacht hat natürlich stets den Nachteil mit dieser abartigen Kälte am Morgen, aber immerhin sind die Strassen danach sowas trocken - und da ich die eigentliche Angst vor der Rutschgefahr habe und die Kälte "lediglich" unter Widrigkeiten läuft (die, im Gegensatz zu Gefahren, unangenehm aber definitiv erträglich sind), bin ich durchaus zufrieden mit dem Wetter: Es könnte auch um die Null Grad haben, und dazu noch Niederschläge.
Ausserdem komme ich auf die Weise in den Genuss morgendlichen Sonnenscheins - ja geradezu der ersten Sonnenstrahlen, die der anbrechende Tag über das Dachziegelgesicht dieser hässliche Stadt schickt. [Schmalz_OFF]
Ein weiterer Vorteil ist neben der geringeren Zahl der Verkehrsteilnehmer, dass diese um halb sechs am morgen auch überwiegend einer ganz anderen Kaste angehören: Ruppig zwar fahren sie, ihre Gesichtszüge entbehren der ebenmässigen Schönheit und ihre Autos der Noblesse; unter verplierten Augen klemmt die Kippe im herabgezogenen Mundwinkel, und zitternd trägt die Hand des Beifahrers den dampfenden Plastebecher mit dem Bahnhofskaffee. Menschen auf dem Weg zur Arbeit sind kein schöner Anblick; aber wenn es nicht so viele sind und man selbst auch gerade zur Arbeit fährt, tritt ein gewisser Solidarisierungseffekt ein.
Immerhin weiss ich bei alledem, dass ich selbst auch nicht besser aussehe und lediglich den anderen voraus habe, dass ich als Held auf einem Zweirad fahre und sie als Schnarcher im warmen Auto. Aber diesen meinen Vorteil nehmen die Leute praktisch nicht wahr, so dass meine Beziehungen zur sozialen Umwelt durch Neid kaum gestört werden.
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