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Alles wird gut!

05.10.2004


Der Rahmen des Knatterschweins
Gestern habe ich ansonsten noch den Rahmen des Knatterschweins abgeholt. Er stand in Pankow im Fahrradladen des guten Mechanikers; zuvor hatte ihn der Chefarzt einer Weddinger Karosseriewerkstatt von dem Riss am Steuerkopf geheilt.

Und auf welche Art! Geflucht und gekotzt soll der Mann haben angesichts der an dieser Stelle bereits vorhandenen Ost-Schweissnähte - aber als er mit dem Genöle fertig war, hat er sie alle sauber ausgefräst und *sämtliche* Nähte am Steuerkopf neu gezogen. Für nicht mal fünfzig Euro, legal und mit bullentauglichem Schein und allem. Nach meinem Eindruck ist der Steuerkopf jetzt ordentlicher mit dem Rahmen verbunden als alles andere, das 1987 in Suhl zusammengepopelt wurde; so eine Schweissnaht sieht man selten.

Von Pankow bis nach Hause sind es ca fünfzehn Kilometer. Die ersten paar hundert Meter davon trug ich den gut 10 kg schweren Rahmen auf der Lenkerstange, deren Lack er zerhämmerte; auch konnte ich praktisch nicht mehr bremsen und eierte dank eingeklemmter Finger und ungewohnter Handhaltung wie ein Besoffener über die Schönhauser. Widerlich.

Irgendwann ging es nicht mehr und ich muss ein herziges Bild abgegeben haben, wie ich da mit meinem Fahrrad stand und ein überaus sperriges Metallteil in verschiedenen Posen vor mich hielt, um zu einem Entschluss über seine An- oder Unterbringung zu gelangen.

Schliesslich fielen mir die beiden Feuerwehrkarabiner ein, die ich für Schlüsselbunde und ähnliches am Gürtel trage - die löste ich dort, steckte sie durch die Schraublöcher des Rahmens und hing dies an die Schulterriemen meines Rucksacks, so dass es mir hinten im Rücken baumelte. Das ging einigermassen - ich konnte in normaler Haltung auf dem Fahrrad sitzen, bremsen und das Teil schlug nirgendwo an. Ausser halt am Rücken, aber irgendwas ist bekanntlich immer.

Meine neu gewonnene Überbreite war nur das Problem der mir auf dem Radweg entgegenkommenden, die aber eh alle auf der falschen Seite fuhren. Dem Rahmen wichen sie respektvoll aus, blieben dafür sogar stehen und klemmten sich zwischen die parkenden Autos, damit ihnen nicht der aufreizende Charme öligscharfer Blechecken im Gesicht haftenbliebe; ebenso benahmen sich die Autofahrer, derer kein einziger mich auf meinem Wege gestern schnitt oder sonstwie bedrängte.

Lediglich ein Tourist auf dem Radweg an der Stralauer konnte nicht rechtzeitig ausweichen; dabei hatte ich schon lange vorher und freundlich gesagt: "Radweg!" - In der Annahme, bereits der Anblick meiner Ladung verschaffte den Gammlern genügend Einsicht, warum es jetzt gerade auf dem Radweg kein guter Ort zum Lungern sei. Aber der Typ mit seinem Fotoapparat setzte das "Moment, ich bin gleich fertig!"-Gesicht auf, trollte umher und hob seinen Blick erst, als ich schon zwei Meter heran war.

Da wurde es ihm allerdings klar, wer hier gleich aus dem Weg hechten würde, und er tat es auch; mit mir unbekanntem Ergebnis. Ich hörte zwar weder metallische Aufprallgeräusche noch das Wimmern von Verletzten; aber mein rechter Rucksackriemen machte so ein Geräusch, wie wenn das ihn beschwerende Gewicht einmal kurz ausgelenkt worden wäre. Ich sah hernach aber keine Brillen, Toupets oder Gebisskronen an den Ecken des Rahmens, so dass mein Gewissen rein ist.

In meinem Zimmer fand ich rasch einen Ort, da kaum mehr Dinge lagen, die weiss zu besprenkeln mich sonderlich angerührt hätte: Die sehr farbbekleckste Türschwelle sowie dahinter Türrahmen und Wand, die eh weiss sind und wo man weisse Grundierung also gar nicht bemerkt.

Es stinkt natürlich etwas, aber mit etwas Durchzug und wenn man nicht gerade lauter Rokoko-Möbel zu Hause hat, kann man Fahrzeugteile durchaus auch ohne Spritzkabine lackieren. Bzw grundieren; Lack kommt heute abend drauf und Klarlack am Mittwoch - und ab Donnerstag kann ich meinem Mechanikus ein schlechtes Gewissen machen, dass er mir bald beim Zusammenbauen des schrecklichen Haufens der Einzelteile helfen möge.

Ich habe jetzt zwar waagerechte Striemen auf dem Rücken, einen zerschrammten Lenker am Fahrrad, zerschrammte Finger an der linken Hand und was ich gestern abend noch so alles mitgrundiert habe, muss ich erstemal bei Lichte besehen. Aber dafür ist meine Beziehung zu dem Nutztier wieder etwas enger geworden und ist es jetzt wieder etwas mehr *mein* Knatterschwein.