Jetzt gehts los!
15.03.2005
Gestern abend spielte ich mit dem Gedanken, heute früh wieder mit dem Knatterschwein zur Arbeit zu fahren. Ich war mir unschlüssig.
Befördert wurden meine Überlegungen durch den Umstand, dass mir nichts einfiel, was zu dem Zweck noch am Schwein getan werden
müsste, ausser Benzin und Luft nachzufüllen. Der Wetterbericht dann härtete meinen Entschluss, indem er Trockenheit versprach.
Heute früh also zog ich statt der braunen Jacke den Lederpanzer an, gürtete die Überhosen, griff nach Helm und Handschuhen, prüfte
den Werkzeug- und Treibstoffsatz im Rucksack, entstaubte das Helmvisier und lief auf den Hof, das Nutztier aus dem Winterschlaf zu
wecken. Dort fiel mir ein, was man vorher hätte tun müssen: Das neue Versicherungsschild ranschrauben. War mir aber um die Uhrzeit
zu fummelig, so dass es zunächst mit dem guten Tesa-Packband befestigt wurde; ich werde heute mal etwas Mittagspause dafür abzweigen
müssen.
Dann aber! Alle Lampen leuchteten noch, und nach zehn Metern Anschieben pröpperte das Tier wieder froh vor sich hin. Hurtig trug es
mich zur Tanke, allwo ich die Reifen aufpumpte und vor lauter Dankbarkeit fünf Liter der guten SuperPlus-Essenz spendierte.
Glücklich schmatzend soff das Schwein den edlen Saft; ich habe ihm geradezu angemerkt, wie froh es um den Saisonbeginn war.
Diese Freude übertrug es auf mich - was auch nötig war, denn hinter der Residenzstrasse zeigte sich wieder das Phänomen der
Übergangszeit: Bereifte Autoscheiben, überfrorene Pfützen und feuchte Streifen vom Nebel auf der Fahrbahn. Damit einher gingen die
üblichen Beschwerden wie sich versteifende Finger und ich bemerkte recht genau, an welchen Stellen die Abdichtung durch
Schals und Hemdkragen nicht optimal war.
Indes näherte ich mich zwar frierend, aber unaufhaltsam meinem Ziel, so dass die zunehmende Vorfreude über die glückliche
diesjährige Jungfernfahrt das Leid ausglich.
Die Fahrt selbst war eine Freude, da ich um zehn nach fünf früh genug aufgebrochen war; mit nichts als leichtem Spiel am Gasgriff
beherrsche ich die fast leere Strasse und konnte das Schwein präzise auf seinem Weg leiten. - Vom sanften Tuckern bis zum sägenden
Vollgaslärm konnte ich wieder auf das ganze Spektrum der Fortbewegungsarten zugreifen. Ein Hochgenuss, nachdem ich wochenlang
zwischen lauter komischen Leuten in der Bahn gesessen und habe und ständig anhalten musste, wo ich doch noch gar nicht aussteigen
wollte.
Das Schwein hingegen - kein Warten, kein Beifahrer, keine unnützen Zwischenstopps, kein muffiger Geruch - und dann fährt es auch
noch bis vor die Tür, anstatt mir noch Fusswege zu bescheren. Und mich muss mir keine Fahrkarten mehr kaufen - dafür zwar Benzin:
Aber wenn ich benutzte Fahrkarten wegwerfe, habe ich immer so ein Verlustgefühl, wenn ich gar nicht kontrolliert wurde - hingegen
das Benzin, davon wird jeder einzelne Tropfen verbraucht, verbrannt und in Lärm und blauen Rauch
gewandelt; da wurde nichts umsonst gekauft.
Und der Blick aus dem Dachfenster zeigt mir die guten Bäume und das Vogelgetier wie sonst auch - und nun dazu aber noch das des
Heimwegs harrende Schwein, was den Anblick um Längen verbessert.
Nicht zuletzt freue ich mich mehr auf den Feierabend: Denn der war die letzte Zeit stets noch durch die zu seiner Gewinnung nötige
S-Bahn-Fahrt beeinträchtigt - während er nun aufgewertet wird durch die zu seiner Gewinnung nötige Knatterschweinfahrt. Sprich, der
Feierabend beginnt eine Stunde früher!
Einziger unerwünschter Nebeneffekt: Die Truller im Mühlenbäcker hat mich nicht wiedererkannt und ich musste mal wieder sagen, was
ich will. Das wird sich in ein paar Wochen ändern, wenn ich wieder mit dem optisch aufwertenden Jethelm und der Fliegerbrille fahre;
diese Montur ist mindestens so unverwechselbar wie sonst der Hut.
Ich freue mich sehr. Es ist zwar eine gewisse Qual, mit blaugefrorenen Knien mein Büro im vierten Stock zu erklimmen; aber
körperliche Schmerzen kann ich in Grenzen durch die Freude ausgleichen, die mich - frisch durchgepustet - nach einer flotten
Zweiradfahrt durchströmt.
("Ach, ist das schön.")
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