Vom Jagen und Sammeln
05.04.2005
Die Freunde des Motorfahrzeugs wissen, wo das Problem liegt: Wenn vorne am Scheinwerfer eine
Glühbirne durchbrennt, dann ist der Druck zu handeln keineswegs gross. Denn in aller
Regel verfügen Motorfahrzeuge vorn über zweiphasige Glühbirnen; und wenn deren
eine durchbrennt, geht die andere immer noch. Man hat dann zwar entweder kein Fern- oder kein
Abblendlicht mehr, aber um gesehen zu werden, reicht ja auch eins davon.
So fahre ich also seit Monaten mit Fernlicht umher. Kein Problem, denn des Knatterschweins
Fernlicht ist eh erst ab 4000 Touren hell und leuchtet auch nicht wirklich weit. Was mich
dabei nur ängstigt, ist die Vision, dass auch noch die zweite Phase durchbrennt und ich
dann sozusagen im Dunkeln stehe; denn die komplizierte Elektrik des Schweins bewirkt, dass
ohne Frontlicht auch das Rücklicht nicht mehr leuchtet. Es ist ja noch nicht geschehen -
aber allein die Vorstellung, dass mir sowas morgens im Dunkeln passiert, war unangenehm.
Die Glühbirne HS1
Einzig diese Unsicherheit trieb mich gestern, das Schwein ein ums andere Mal vor Caro-
Autoteile zu stoppen. Da herinnen hatten sie auch die Lampen mit dem korrekten Sockel - H4,
im Osten auch genannt "HS1" - und sogar als Xenon-BMW-Blendelampen. Das hätt ich mir bzw
dem Nutztier schonmal gegönnt; leider hatten sie Lampen mit verschiedenen Leistungen,
welche Auswahl mich in Unsicherheiten stürzte.
Also raus zum Schwein, Lampe ausbauen (höchst fummelig! weils mans auch so selten
macht), wieder rein, geguckt: Zweimal 35 Watt. Dort hingen alle erdenklichen H4-Lampen
zwischen zweimal 55 und zweimal 75 Watt, und auch ein Verhör des Teileschergen brachte
kein besseres Ergebnis. Der wunderte sich bloss, für welches Fahrzeug so eine Lampe
gebraucht werde. Sein Gesichtsausdruck, als ich "Moped" sagte, wird mich wohl meine Teile
vorerst woanders kaufen lassen.
Also weiter. Reinickendorf und Wedding haben eine hohe Schrauberdichte, so dass ich in der
Schwedenstrasse einfach rechts an den Rand fuhr und auf den Hof eines türkischen KFZ-
Bütrüb gelangte. Dort fummelten zwei Ölbären an einem gewaltigen V8 herum
und schienen erregt. Höflich wie ich bin, stellte ich mich im Abstand daneben und
wartete, bis man mich anspräche. Was auch geschah: "Wuss!?" Ich leierte meinen Spruch
herunter: "Folgendes Problem: Lampe H4, aber zweimal 35 Watt. Ham Sie da was da?" -
"Gukkischmall!" - Nach einer Weile kam er wieder und beschied mir, er habe bloss seschsü
sch und fymmesibsüsch Watt, aber: "Gessumal suddie Bosch, ham die."
Die Bosch war gleisch nebenan. Das mag ich so an diesen Türkenschraubern: Wenn die was
nicht haben, geht für die das Verkaufsgespräch erst richtig los und sie machen sich
allerdings ernsthafte Gedanken, wo man sowas statt dessen herkriegen könnte. DAS nenne
ich mal dedicated support employees!
Leider hatte die Bosch auch keine solche Lampe. Der Hinweis des Boschmannes, dass 35 Watt
aber höchst ungewöhnlich seien und ich das wohl nirgendwo kriegen würde,
versackerte bereits im Proppeln des Schweins, das gleich die nächsten zwanzig Meter zum
nächsten Schrauber fahren wollte. Der hatte auch keine 35er - und konnte sich aber auch
nicht vorstellen, dass es sowas gäbe. "Na, bau mal aus." Ich also wieder die Lampe auf,
Klicklack die Arretierung ab (langsam kann ich das recht gut) und ihm meine schöne
halbkaputte Birne gegeben, damit er verschwand. Bald kam er wieder und hatte eine 60er dabei:
"Andre habbicknich. Musste ma die probiern."
Ich musste überhaupt nichts und wusste, dass 60 Watt zuviel seien; das Schwein ist
gerade in elektrischen Fragen etwas intolerant. Birne rein, am Gas gezogen wie ein Bär,
und lediglich ein leichtes Glimmen zeigte sich. Also musste der Schraubär meine
halbkaputte Birne wieder vorholen, die er inzwischen weggeworfen hatte. Immerhin verursachte
ihm dies offenbar ein schlechtes Gewissen, so dass er sich auf sein eigenes Knatterschwein
setzte und mir riet, ihm zu folgen; er würde mich mit dem Yamaha-Händler
bekanntmachen.
Was er auch tat, nur hatte der Yamahabär auch keine 35er Birne. Ich ahnte jedoch, dass
ich mich meinem Ziel näherte, als der begann, mir den Weg zum Piaggio-Händler zu
beschreiben. Dort fühlte ich mich nicht wirklich wohl, inmitten all der Plasteroller;
ich war aber sogleich positiv berührt, als der Piaggiomann sich zwar gerade von einem
älteren Ehepaar ein Kühlwasser-Problem an deren Roller erläutern liess
(Kühlwasser! *gg*) - aber mich um mein Begehr frug, bevor er sich mit der
Plasteschüssel befasste. Und siehe: Er hatte, was ich suchte! Gross war meine Freude -
sogar eine NARVA-Glühbirne, auf der noch "HS1" stand; allerdings schon aus der
Nachkriegsproduktion.
Anyway. Froh lief ich hinaus zu meinem Schwein, wo mich die Dame des älteren Ehepaars
ansprach und mir einen oft gehörten Satz zuwarf: "So een hattick oochmal! Looft wiene
Biene! Aba hamse mir dannjeklaut. Ahhnee, die warn noch würklich jut!" Ich erwiderte
kurz ihren Gruss mit dem Hinweis auf die legendäre Zuverlässigkeit der Simson-
Produkte und schwang mich auf das meine, das einen nun sehr frohen Halter in dessen
heimatliche Gefilde trug.
Viel schöner ist es nämlich, die Birne erst im vierten oder fünften Laden zu
kriegen, als gleich im ersten. Erstens ist das Erfolgserlebnis grösser, und zweitens ist
es so schön ostalgisch. (Schön ostalgisch aber auch nur deshalb, weil ich am Ende
eine Birne gkriegt habe.)
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