ein neues Knatterschwein!?
13.06.2004
Der Gedanke allein ist mir ein Graus.
Wenn, dann ein grosses Donnerschwein - aber dafür brauche ich erstemal eine Dressurlizenz. Neue Schweine haben - so erfahre ich im Bekanntenkreis - genausoviel Macken, bloss dass man da nirgendwo mehr rankommt und alles in die Werkstatt schaffen muss. Ein teurer Spass, und Teile müssen oft erst noch bestellt werden.
Ein Arbeitskollege musste seinen Plasteroller neulich in die Werkstatt bringen lassen, weil der Vergaser dicht war - sowas regelt man bei älteren Modellen am Strassenrand. Die Sekretärinnen klagen, dass sie nicht das Spezialwerkzeug haben, dass sie zum Säubern des Spritfilters bräuchten - Spritfilter? Ich könnte bei Gelegenheit mal einen Lappen um den Ansaugnippel wickeln.
Es ist zwar öfter mal was zu tun; aber mit kompetenter Hilfe erledigt man das auf dem Hof in einer Stunde, und verbaut Teile für ein paar Euro dabei. Diese Teile gibt es neu oder gebraucht an etlichen Stellen in Berlin - und sie sind alle vorrätig.
Das hat den Vorteil, dass ich eine ganz persönliche Beziehung zu dem Nutztier entwickle, wenn ich alle seine Teile schonmal in der Hand hatte - und meist einen eigenen Anteil daran, dass es nach der Reparatur wieder fährt. Es ist dadurch wirklich mein Knatterschwein. Wenn ich es abends auf den Hof stelle, wünsche ich ihm eine geruhsame Nacht und danke ihm für seine Treue, wie gut es mich gefahren hat. Morgens begrüsse ich es und muntere es auf, damit wir gut zur Arbeit und zurück kommen.
Wenn ich ein neueres Fahrzeug für jede Reparatur zu einem schmierigen Schrauber geben muss, der mir ein Drittel meines Netto für einen neuen Kühler abzockt, den ich zwei Wochen später mit 120 in die Leitplanke einstanze - dann ist das nicht wirklich mein Gefährt. Es verursacht Kosten und erfordert meine Zusammenarbeit mit Leuten, die ich nicht kennenlernen wollte. Dazu steht es in der Werkstatt und bringt mir nicht mal was, während es das Geld frisst.
Auf Neuwagen gibts zwar Garantie, aber damit fallen lediglich die Kosten weg; den Ärger hat man trotzdem. Und es fehlt einfach die Befriedigung, wenn man das Problem unter widrigen Umständen - im Morgengrauen bei Nieselregen in der Residenzstrasse - mit einfachem Bordwerkzeug selbst gelöst hat.
Diese Freude bietet nur eine bestimmte Fahrzeugklasse, die zwar regelmässig solche Probleme aufwirft - dafür aber einfach gebaut ist und es auch dem Laien ermöglicht, sein Glück selbst in die Hand zu nehmen.
Zumal mir als Tester ist es unangenehm, ein technisches Gerät zu benutzen, dessen Funktionsweise ich nicht oder nur zu grob kenne. Dieser Antoine Saint-Exupéry hat geschrieben, und ich klaue das Zitat von einem unserer Entwickler: Die Dinge entwickeln sich immer vom Primitiven über das Komplizierte hin zum Einfachen.
Gottlieb Daimlers Motorkutsche war primitiv, ein neuer BMW ist kompliziert und das Knatterschwein ist einfach. Ohne überflüssigen Schnickschnack. Das bedeutet nicht: Ohne Nachteile, aber nach meiner Erfahrung immerhin: Ohne überflüssige Nachteile.
PS.
Eine andere Frage ist die des Liegenbleibens. Liegenbleiben und Laufenmüssen sind enorme Demütigungen für den Zweiradfahrer, und 15 Kilometer Schieben ist die Hölle.
Grundsätzlich führen oft auch Kleinigkeiten dazu, dass der Motor oder ein anderes wichtiges Teil zunächst einmal streikt. Danach erst beginnt der Unterschied zwischen alten und neuen Schweinen: Bei letzteren müsste man oft geklebte Plasteverschalungen aufreissen, um überhaupt mal einen Blick reinzuwerfen und zu gucken, was da drin so los ist. Meistens ist es ja eine Banalität wie Dreck im Vergaser, aber wenn man an die nicht rankommt? Und wenn man nie reinguckt, dann kennt man sich auch nicht aus und kann am Ende auch nix machen.
Hingegen ein "offenes" Schwein ermöglicht erst die Grundlage der Lösung, nämlich die Fehlersuche. Und auch wenn manches sich auch ohne Hilfe oder Ersatzteile nicht richten lässt, so kann man es doch meist notdürftig wieder zusammenwürgen. Da es nicht kompliziert und filigran, sondern einfach und robust gebaut ist, verträgt es auch schonmal den unfachmännischen Einsatz von Grobwerkzeug und notdürftige Flickungen mit Schnur und Gaffaband.
Und mit einer derart geschienten Mühle kommt man wenigstens nach Hause, kann sich zurücklehnen, einen rauchen und in aller Ruhe und mit allem Werkzeug die Havarie angehen, während das Plasteschwein stünde in der Walachei am Strassenrand und man müsste, kaum der Fussmarsch vorbei ist, schon wieder lostoben. Ein Alptraum.
Hingegen knirschend, klappernd und tropfend mit ölverschmierten Fingern den Hof zu erreichen, das verschafft geradezu ein Hochgefühl.
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