Aus alt mach neu
14.06.2004
Am gestrigen Sonntag vormittag sah es bereits so aus, als würde unser Held am Montag mit der Bahn zur Arbeit fahren müssen; zu schwer schienen die Verschleisserscheinungen, die er justament an seinem Reittier bemerkt hatte. Würde der Mechaniker die rettenden Teile erreichen? Womit würden die Götter das Wartungspersonal weiter schlagen?
Das Ablassen des Altöls war noch der geringste Teil dessen, was nun folgte. Neue Kurbelwelle und neue Lager waren irgendwann da (am Sonntag!), und wir konnten beginnen, uns in das Innere vorzuarbeiten.
Dabei ist uns das Altöl ausgekippt (sieht man kaum auf anthrazitfarbenem Fussbodenbelag - sauber entsorgt) und wir haben den tags zuvor erst leidlich aufgeräumten Werktisch in ein Schlachtfeld aus Lagern, Schrauben, Muttern, Ringen, Dichtungsfetzen und grösseren Mengen undefinierbaren Drecks verwandelt. Dies Chaos teilten wir in brauchbare und unbrauchbare Teile.
Erstere wuschen wir zum Entsetzen des Mitbewohners im Bad mit der einzigen verbliebenen Abwaschbürste sauber; ich hatte auch hoch und heilig versprochen, heute eine neue Bürste mitzubringen. Immerhin jedoch vermieden wir das Backen der Motorhälfte in der Ofenröhre, denn wir haben die Herdplatte benutzt; und nach dem Abwaschen waren das dann auch auf einmal sehr saubere Alu-Gussteile, die ich ohne zu zucken in den Backofen gestellt hätte.
Das Einsetzen normal temperierter Lager in erhitzte Flansche und sonstige Öffnungen ist das lustigste dabei, denn hierbei muss alles sehr schnell gehen, so dass die im Umgang mit heissem Metall notwendige Sorgfalt rasch geopfert wird. Autsch.
Der Simson-Motor M541
Irgendwann aber sassen die Lager wieder, das Getriebe kehrte langsam zu seiner ursprünglichen Gestalt zurück bei alledem vergassen wir auch nicht die neue Kurbelwelle.
An der alten hatte sich das Nadellager zwischen Welle und Pleuel aufgelöst und seine Einzelteile im Kurbelgehäuse verteilt. Ein paar davon musste der Zylinder angesaugt haben - jedenfalls waren oben im Kolben die entsprechenden Abdrücke zu sehen. Er muss sie aber mit dem nächsten Stoss gleich wieder ausgepufft haben, denn die berüchtigten druckmindernden Längsriefen (von mitschleifenden Bruchstücken) in der Laufbuchse fanden wir nicht.
Am Zylinder selbst war auch gar nix, so dass den draufzuschrauben eine abschliessende Freude war. Auf dem Hof war es bereits zu dunkel, um noch sicher etwas zu montieren. Wir sauten den Hausflur ein, der neben den hässlichen Graffitis jetzt auch noch ein paar formschöne Öltapsen neben den Lichtschaltern trägt.
Dabei trafen wir noch den Typen mit der Vespa, der sagte: "Sieht ja nicht gut aus" - dabei war das, als wir unter Fluchen und Schwitzen gerade den Motor in den Rahmen einhängten und fast fertig waren, nach ca sechs Stunden Schrauberei. Grosses Glück, als es dann endlich lief und wir die Nachbarn zu später Stunde noch mit einem jetzt sehr ebenmässig tackernden Knatterschwein erfreuen konnten.
(Ich hatte wohl gestern den Mund wohl etwas zu voll genommen, als ich von gelegentlich mal ner Stunde und Teilen für zweifuffzig sprach - aber das war dafür jetzt mal eine komplette Motorüberholung. Sowas ist zum Glück auch nicht jede Woche.)
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