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Ein letztlich deprimierendes Erlebnis

02.08.2005

So! Geschafft. Der grösste Aufwand beim Benzinhahnwechsel ist es, das Benzin aus dem Tank zu kriegen - und zwar so, dass man es danach nochmal verwenden kann.

Während also des Knatterschweines Lebenssaft mit einem unanständigen Geräusch in den Kanister lief, traten diverse Nachbarn auf. Zunächst die Frau vom Typen neben uns, die ihr Fahrrad anschloss - dabei fand ich noch nichts. Dann kam eine Truller in Unterhemd, Freizeithosen, Schlappen und Kippe im Maul aus dem Hinterhaus gestürzt, als ob der Schwarze Mann hinter ihr her wär, sieht mich nicht (ich hatte mein Werkzeug ca 2m neben der Tür ausgebreitet) und rennt durchs Hoftor auf die Strasse. Wie angestochen. Hatt ich noch nie zuvor gesehen, die Dame, aber sie scheint sich konsistent zu verhalten und hat genausone Macke wie die anderen Kandidaten.


Der Tank mit Benzinhahn (24)
Nächstens der kleine Dicke mit dem Spitzbart. Der hatte früher mal eine Schwalbe und nichts als Ärger damit gehabt; wenn er mich an meinem Schwein sieht, fragt er stets kurz nach der Malaise und beginnt dann von denen seiner seligen Schwalbe zu berichten, ohne die Antwort abzuwarten. Heute frug er wieder, ich wollte sagen: Der Benzinhahn ist undicht und jetzt bau ich einen neuen ein - aber hatte kaum begonnen, da antwortete er schon: "Haaaach, der Benziiinhahn, ja ja! Hahaha." - und stürmt weiter.

Ihm folgte der ältere Herr mit der schlohweissen Mähne, der immer den Alki übern Hof besucht, die ganze Nacht mit ihm säuft und dann morgens ins Streiten gerät. Der wollte mir auch was sagen, aber ich habe es leider nicht verstanden, trotz mehrfacher Wiederholung.

Zu guter letzt kamen zwei Typen aus dem Hinterhaus, die mir sehr suspekt erschienen. Deren einer wohnte dort und ich hatte ihn mehrfach im orangen Warnkleid der Stadtreinigung das Haus verlassen sehen, in letzter Zeit aber viel öfter im Anzug; so auch jetzt. Der allein lebende hatte einen seriösen Herrn bei sich, den ich nicht kannte; beide zusammen waren sehr geschäftsmässig gekleidet.

Das fiel auf, denn kaum jemand in dieser Gegend und niemand in diesem Haus trägt sonst Schlips und Anzug.

Und der dicke Ex-Müllfahrer interessiert sich auch nicht im geringsten für Knatterschweine: Jedenfalls hat er selbst umfangreiche Operationen bisher kaum beguckt und gar nicht angesprochen. Heute aber stellte er sich mit seinem Begleiter neben das Schwein und den gluckernden Kanister und sie begannen Simson-Smalltalk: Die seien ja sehr zuverlässig, man könne alles selber machen und sähe man aber heute kaum noch welche von.

Tja. Ich bin immer etwas gehemmt, wenn ich merke, dass die Leute nicht wegen irgendwelcher Informationen ein Gespräch anfangen, sondern um ein Gespräch anzufangen: Wieso soll ich meine kostbare Aufmerksamkeit dafür drangeben, wenn der maximale Nutzen in Smalltalk besteht?

Ausserdem kam mir das ganze verdächtig vor. Wieso redet jemand mit mir über das Schwein, der sich sonst nicht dafür interessiert? Wieso tut sein Gast es ihm gleich, obwohl ich den zum ersten Mal sehe? Und was bringt überhaupt diese Schlipsbären dazu, die ja gerade irgendwohin wollten - sich erstemal mit einem ölbeschmierten und nach Benzin stinkenden Schraubär abzugeben?

Doch lang musste ich nicht warten: Der Dicke aus dem Hinterhaus frug mich nach einer Weile, wo ich krankenversichert sei. Alles klar. Sein erster Schuss auf meine Antwort "TK" war von einer kaum zu überbietenden Substanzlosigkeit: "Ganz schön teuer, was?" - Ich antwortete, das ich mich mit sowas kaum befassen würde. Bei irgendwas könne ich ein Prozent sparen - ohne dass er aber konkrete Zahlen genannt hätte - und solle ihn doch am besten mal besuchen, und all meine Freunde und Bekannten mitbringen.

Verdammte Multilevelscheisse. Genauso sieht das nämlich aus: Deutsche Web-Adresse mit absolut unspezifischem Inhalt, deutscher Gefü, deutsche Steuernummer, deutsche Büros - aber registriert als Limited in Cavella Park, Reading. Und natürlich suchen sie zum Ausbau ihrers explodierenden Geschäfts noch jede Menge Führungskräfte überall in Deutschland, denen sie lukrative Zusatzleistungen etc versprechen.

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- Ja ja ist schon gut, kann ja keiner was für wenner seinen Job verliert und dann irgendwelchen Mist machen muss, um davon zu leben. Und trotzdem ist solche Multilevelscheisse höchst widerlich, weil es die Notlagen genau solcher Leute ausnutzt: Denn es ist doch irgendwo nicht normal, wenn ein Ex-Müllfahrer sich einen Schlips umbindet und dann unten im Hof versucht, einem versumpften Kiffer Versicherungen zu verkaufen. Damit ist niemandem geholfen, mein ich.